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Deutsch-russisches Projekt / über das Projekt

Ulrich Stewen und das Projekt


Ich heiße Ulrich Stewen und arbeite seit mehreren Jahren in Berlin als freier Journalist und  Dozent in der journalistischen Fortbildung. Als Ethnologe interessiert mich die Auseinandersetzung mit nationalen und ethnischen Minderheiten ebenso wie das weite Thema Migration und Integration. So lag es nahe, eines Tages auch auf die deutschstämmige Bevölkerungsgruppe in Russland zu stoßen und hier einen Arbeitsschwerpunkt zu finden.

Womöglich keine schlechte Voraussetzung, in diesem EU-Projekt an einer Stelle mitzuarbeiten, wo es um die Vermittlung des Projektthemas ´Toleranz` durch die Medien geht. Und vielleicht auch keine schlechte Voraussetzug, mit künftigen Journalisten das Thema zu erörtern und dabei die Rechte der Medien gegenüber politischen Entscheidungsträgern ebenso zu diskutieren wie die Verantwortung von Medienleuten gegenüber Lesern, Hörern, Zuschauern, wenn etwa Minderheiten Gegenstand der Berichterstattung sind.

Im Mittelpunkt der journalistischen Annäherung an das Projektthema stand ein Wettbewerb, der Mitarbeiter von Presse, Rundfunk und Fernsehen aufrief, sich mit dem Thema ´Toleranz und die Rolle der Medien` vertieft zu beschäftigen (mehr dazu an anderer Stelle dieser Webseite). Viele Beiträge zeigten, dass die Selbstreflexion der Medien in Bezug auf ihren Beitrag zur Toleranzförderung womöglich soeben beginnt und die Eigenschau – wie anderswo auch – kein vorrangiges Thema ist.

Vielmehr beschäftigten sich die meisten Arbeiten mit Beispielen aus dem Alltag, in denen Toleranz oder der Mangel an Toleranz beschrieben wurden – teils in historischem Rückblick, teils in aktuellen Lagebeschreibungen. An dem Wettbewerb nahmen nicht nur hauptberufliche Journalisten teil, sondern auch Autoren, die in anderen Berufen tätig sind.

Die drei Preisträger, die von einer Jury im März 2006 ermittelt wurden, hatten sich zweifellos unter einem je eigenen Blickpunkt ihrem Thema genähert. Bei ihrem Aufenthalt in Berlin – der Preis der Mühen – gab es reichlich Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen und Einblicken abseits des offiziellen Programms.

Ein weiterer Schwerpunkt waren mehrere Seminarreihen mit angehenden Journalisten an der Gorki-Universität sowie mit Studenten, die künftig in der Öffentlichkeitsarbeit tätig sein werden. Überraschend und beeindruckend zugleich war bei vielen die Freude an der künftigen Tätigkeit einerseits, aber auch eine ernüchterte Abgeklärtheit darüber, nach Lage der Medien eigenen Vorstellungen und Zielen kaum gerecht zu werden. Vermittelnd und darstellend an der Schnittstelle von Zivilgesellschaft und Staat/Behörden/Politik zu wirken, scheint vielen angehenden Journalisten kaum eine Option zu sein, die Chancen auf Anerkennung und Verwirklichung hat.

Beeindruckend auch war das Interesse der Teilnehmer, im Vergleich mit Grundsätzen westlichen Journalismus´ Neues zu erfahren, zu hinterfragen, Eigenes zur Debatte zu stellen oder zu behaupten. Vielleicht ist der Eindruck nicht falsch, dass die angehende Generation von Journalisten trotz mancher Hindernisse hoch motiviert und einen eigenen Beitrag zu leisten bereit ist. Die Voraussetzungen dazu zu schaffen, liegt gewiss nicht bei den Medienverantwortlichen allein.

Die Gespräche und Diskussionen an der journalistischen Fakultät mit den Studenten werden mir noch lange in Erinnerung bleiben, zumal die Debatte mir noch einmal Sichtweisen und Anschauungen, Hoffnungen und Widrigkeiten vor Augen geführt hat, die für ein besseres Verständnis der Lage des Journalismus in Russland hilfreich sind.

Was das alles mit ´Toleranz` zu tun hat? Die Freiheit zur Entfaltung im Beruf, die Freiheit von Gängelung und berufsfremden Anweisungen bringen gewiss mit sich, sich auch im Blick auf andere Unvoreingenommenheit und journalistische Distanz aufzuerlegen. Und hier, scheint mir, hat nicht nur der Journalismus in Russland eine bleibende Aufgabe.